Von Agenturen und Influencern

Agentur, Brand, Influencer, Content Creator, Social Media

Es gibt drei Thesen, die ich einfach mal so in den Raum stelle:

  1. Einige Influencer betreiben kein richtiges Gewerbe. Wie komme ich drauf? Wenn ich sehe, dass im Jahr 2022 „Werbung“ noch immer nicht richtig als solche gekennzeichnet wird, ist dies eine unsaubere und rechtlich nicht korrekte Arbeitsweise. Fakt.
  2. Folglich gehe ich davon aus, dass einige Influencer für Dumpingpreise Werbung machen. Wie komme ich darauf? Bei einer interessanten Anfrage höre ich Agenturen erstmal zu und schaue, ob sie meine Erwartungen ebenfalls erfüllen. Wenn sie mir dann den Preis nennen und wirklich kein Spielraum vorhanden ist, weiß ich, dass es da draußen Influencer gibt, die genau für diese Vergütung arbeiten. Und davon kann tatsächlich niemand dauerhaft seine Tools, Equipment und Internet zahlen. Die exemplarische Rechnung anhand eines realen Beispiels folgt unten.
  3. Folglich gilt: Wer mit Agenturen zusammenarbeitet, bekommt in der Regel eine niedrigere Vergütung, da Agenturen ein Budget von der Marke zur Verfügung gestellt bekommen durch welches ihre Tätigkeit, aber auch die der Influencer, beglichen wird. Die Höhe der Vergütung obliegt also den Agenturen: Wie viel unserer Einnahmen möchten wir an Influencer abgeben?

Lohnt es sich also, Aufträge eher direkt mit Brands und nicht über Agenturen anzunehmen? Finanziell bestimmt ja, pauschal lässt sich dies aber nicht beantworten, da noch mehrere Faktoren einspielen. Und nicht alle Agenturen arbeiten so 😊.

Nun zu meinem angekündigten Fallbeispiel. Anhand dessen möchte ich dir verdeutlichen, weshalb eine angemessene Vergütung für getätigte Arbeit – und platzierte Werbung auf Social Media ist de facto eine Arbeitsleistung – so wichtig ist.

Ausgangssituation: Ich erhielt eine Anfrage zu einem spannenden Produkt, für das ich nach einer Testphase einmalig eine Story mit 4 – 6 Slides hätte produzieren sollen. Inklusive Link-Platzierung und Rabatt-Code für meine Community. Die Vergütung hierfür hätte 50 € betragen + Provision für jeden eingelösten Code.

  1. Ich arbeite nicht auf Provisionsbasis. Wenn meine Community ein Produkt toll findet, soll sie es kaufen. Das freut mich und im besten Fall ist das Produkt und seine Wirkweise so überzeugend, dass die Person es ein zweites Mal kauft. Wenn ich Werbung produziere, dann um Storytelling und Content Creation zu betreiben und nicht à la Shopping TV. Provisionsmodelle sind für mich in der Content Creation auf Social Media unattraktiv, da man hier Gefahr läuft, total in den Verkaufsmodus zu geraten und der eigentlichen Hintergrund, wie Basisinformationen und Testberichte, verschwindet. Es geht ja dann nur noch um das Verkaufen und nicht mehr um die sachliche Darstellung von Fakten oder Erfahrungen. Nichts für mich.
  2. Eine Content Produktion kostet nicht nur materielle Ressourcen und Arbeitskraft, sondern auch Zeit. Wer als Content Creator eine gute Arbeit macht, hat diese Investments.

Für eine Story, nehmen wir hier den Mittelwert von 5 Slides, benötige ich im Durchschnitt 60 min in der reinen Produktion + Überarbeitung, ohne Korrekturschleife der Auftraggeber. Die Korrekturschleife kann je nach Produkt und Brand bis zu drei Mal vertraglich festgehalten sein. Hinzu kommt natürlich vorher das kreative Brainstorming: Ich muss ja wissen, welche Geschichte ich in meiner Instagram-Story erzählen möchte.

Die einzelnen Arbeitsschritte sind hier also:

  1. Kreatives Brainstorming.
  2. Setup aufbauen.
  3. Testdurchlauf: Passt das Licht & der Sound sowie Bildausschnitt?
  4. Story aufnehmen (2-3 Versuche pro Slide bestimmt).
  5. Story bearbeiten (Text integrieren, Werbe-Kennzeichnung, Call-to-Action Integration usw.).
  6. Story in den Datenraum laden.
  7. E-Mail mit Link zum Datenraum an Auftraggeber:in zur Freigabe senden.
  8. Korrekturschleife (dann kommt noch die Überarbeitungszeit je nach Aufwand dazu) oder
  9. Direkte Freigabe.
  10. Tag des Postings:
    • Story auf Instagram hochladen
    • Auf Nachrichten reagieren
    • 24 Stunden später: Reporting erstellen
    • Reporting an Auftraggeber:in senden
  11. Rechnung stellen

Wir haben hier jetzt 11 Arbeitsschritte für eine „einfache Story“. Sollte ich hier mehr Content kreieren mit extra Tools, z.B. Info-Grafiken, Animationen, an einen  bestimmten Ort dafür fahren müssen, kommen diese Schritte noch hinzu.

  • Als Content Creator habe ich laufende Kosten zu tragen:
    • Basics, die auch du für deinen Büro-Arbeitsplatz benötigst
    • Digitale Tools zur Bearbeitung (Video, Grafiken, Bild)
    • Equipment: Licht, Kamera, Smartphone, Mikrofon und Sonstiges

Und jetzt die Frage an dich: Wenn du nun den Aufwand und die Basisausstattung hinter der Kooperationsanfrage kennst: Würdest du die 5 Slides für 50 € produzieren und auf deinem Kanal live schalten?

  • Du verkaufst nicht nur deine Arbeitsleistung und Zeit, sondern auch dein Knowhow und all das, was du dir (!) auf Social Media aufgebaut hast. Du verkaufst der Agentur indirekt den direkten Zugang zu deiner Community. Also: Deine Reichweite.

Versuchen wir uns an einer vereinfachten Rechnung:

50 € Budget, 5 Slides, 60 min Produktionszeit und Agentur-Kommunikation + 60 min Content live schalten, Communitymanagement und Reporting.

Das macht zwei Stunden Arbeitszeit. Wenn ich nun aber berücksichtige, dass ich ja nicht nur meine Arbeitszeit, sondern auch Reichweite/Community verkaufe und dies zur Vereinfachung pauschal zusammenfasse, dann muss ich die 50 € durch den Faktor 7 (2 Stunden Arbeit + 5 Slides) teilen und erhalte einen Wert pro Faktor, der ca. bei 7,14 € liegt. 7,14 € pro Arbeitsstunde und pro Slide/“Communityverkauf“.

Würdest du für 7,14 € die Stunde selbstständig arbeiten?

So einfach ist das aber leider noch immer nicht.

  • Wenn du als Content Creator/Influencer selbstständig bist, hast du deine Einnahmen zu versteuern. Egal, ob du ein Kleinunternehmen oder welche Unternehmensform auch immer führst. Wenn du dann noch freiwillig bei der Krankenkasse versichert bist, musst du ebenfalls deine Krankenversicherung und Pflegeversicherungsbeitrag von deinem Gehalt zahlen.

7,14 € pro Stunde.

Jetzt nehmen wir mal an, ich kenne das Produkt schon, finde es klasse, es kostet im Supermarkt 3,00 € und weil ich meiner Community  tolle Produkte ehrlich empfehle, weil das eben zu meiner Person und meinem Instagram-Kanal gehört, zeige ich es in einem Story Slide und sage: Schmeckt mega, gibt’s im Supermarkt x.

Jetzt stell dir vor, ich mache das unkompliziert in 15 Sekunden (Aufnahmezeit 1 Story Slide) und es fallen alle anderen Arbeitsschritte weg, ich gewinne Lebenszeit und habe keine Kontrollfunktion oder Abhängigkeit zur Agentur geschaffen.

Was ich damit sagen möchte:

Einen solchen Deal anzunehmen ist absolut unerklärlich für mich, wenn man ein sauberes Business hat, da es null Komma null rentabel, bzw. kostendeckend ist.

Lass dich nicht verunsichern. Trage bitte nicht dazu bei, dass sich solche Preise häufen, sondern sei dir im Klaren darüber, dass du Arbeit leistet, die Knowhow fordert.

Agenturen lieben es, mit dem Argument des TKPs zu kommen. Meine Meinung? Dann sollen sie Anzeigen auf Social Media schalten und währenddessen auf die Vergütung für die von ihnen investierte Arbeitszeit verzichten.

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